PopFeminismus
Ringvorlesung des IZfG im Sommersemester 2024
Ort: Rubenowstr. 3, Hörsaal* oder IZfG-digital**
*Ausnahme: 10. Juli: Alfried Krupp Kolleg Greifswald, Martin-Luther-Straße 14
** Externe Personen melden sich bitte unter izentrum@uni-greifswald.de für einen Gastzugang. Jede Vorlesung hat einen eigenen Zugang.
Zeit: 18 Uhr c.t., genaue Daten entnehmen Sie bitte unten
Konzept: Katrin Horn
Organisation: Katrin Horn, Heide Volkening
Feminismus ist populär – egal ob T-Shirt, Fernsehsendung oder Popkonzert. Vieles verkauft sich unter dem Label „feministisch“ anscheinend besser als ohne. Ebenso populär scheint jedoch populäre Misogynie (Banet-Weiser) sowie die Verneinung der Relevanz von Feminismus und seine Verortung in einer überkommenen Vergangenheit.
Letzteres Phänomen findest sich selbst in vermeintlich progressiven medialen Repräsentationen von Frauen und wird hier als Postfeminismus beschrieben (McRobbie; Gill; Banet-Weiser et al, Thomas).
In dieser spätestens seit den 2000ern prominenten medialen Verbindung von anti-feministischen Tendenzen und individualisierten empowerment-Behauptungen wird Wahlfreiheit zum singulären Standard progressiver Politik.
Postfeministische Medien stehen so in enger Verbindung zu einer gesamtgesellschaftlichen Erstarkung eines sogenannten choice feminism, in dem die Kritik an einem politischen Status Quo zu Gunsten der Hervorhebung von Konsumverhalten und Lifestyle-Prägung gänzlich verloren gehe, so eine verbreitete These (z.B. Thwaites; Zeisler).
Zeitgleich wurden über Figuren wie Emma Watson oder Beyoncé die Idee des celebrity feminism zunehmend salonfähig, die in der feministischen Auseinandersetzung einerseits als Ablenkung von realen politischen Diskursen beschrieben wird (Gay), andererseits als wichtiges Element einer breiteren Auseinandersetzung mit feministischen Themen gelobt wird (Hobson; Chidgey).
Gleiches gilt für populäre Medien, die häufig Austragungsort anti-feministischer Hetze werden, die aber ebenfalls ein zentraler Ort feministischen Aktivismus sind, z. B. in dem auf populäre Formate basierenden hashtag feminism (Clark-Parson; Stehling) oder der feminist blogosphere als ein wichtiger Austragungsort von Identitätsbildung und Informationsverbreitung (Marwick).
Diesen paradoxen Entwicklungen, insbesondere der letzten beiden Jahrzehnte, sowie der historisch komplexen Verbindung von Popkultur und Feminismus widmet sich die Ringvorlesung „PopFeminsmus“ aus multidisziplinärer Perspektive.
Im Rahmen der IZfG-Ringvorlesung im Sommersemester 2024 werden eingeladene Expert*innen aus der Soziologie, Medien-, Literatur-, und Kulturwissenschaft sich einerseits mit feministischen Zugängen zu Populärkultur auseinandersetzen, andererseits Populärkultur als Zugang zu feministischen Themen und deren diskursiver Wirkmacht betrachten (Hollows & Moseley 1).
Zu den zentralen Anliegen der Ringvorlesung wird es entsprechend gehören, Fragen wie die folgenden zu adressieren:
Wie beeinflusst Popkultur unsere Vorstellung von Feminismus?
Wie kann die feministische Beschäftigung mit Popkultur aussehen?
Wie werden Popstars zu Ikonen des Feminismus und wie werden umgekehrt Feminist*innen und feministische Inhalte populär?
In welchem Verhältnis stehen feministische Repräsentation und feministische Politik?
Quellen:
Banet-Weiser, Sarah. Empowered. Popular Feminism and Popular Misogyny. Duke UP, 2018.
Banet-Weiser, Sarah, Gill, Rosalind, und Catherine Rottenberg. „Postfeminism, popular feminism and neoliberal feminism? Sarah Banet-Weiser, Rosalind Gill and Catherine Rottenberg in conversation.” Feminist Theory, 21:1 (2020), 3-24.
Chidgey, Red. “Postfeminism™: celebrity feminism, branding and the performance of activist capital.” Feminist Media Studies, 21:7 (2021), 1055-1071.
Gay, Roxane. „Emma Watson? Jennifer Lawrence? These aren't the feminists you're looking for.” Guardian.com, 2014.
Gill, Rosalind. „Postfeministische Medienkultur. Elemente einer Sensibilität.“ In Gender & Medien Reader, Hrsg. Kathrin Peters und Andrea Seier, 541–556. transcript, 2016.
Hobson, Janelle. “Celebrity Feminism: More Than a Gateway.” Signs (2016). http://signsjournal.org/currents-celebrity-feminism/hobson
Hollows, Joanne und Rachel Moseley (Hrsg). Feminism in Popular Culture. Berg: 2006.
Marvick, Alice. “None of this is New (Media). Feminisms in the Social Media Age.” In The Routledge Handbook of Contemporary Feminism. Routledge, 2019.
McRobbie, Angela. Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010.
Stehling, Miriam. „Vergnügliche Interventionen in digitalen Öffentlichkeiten. Eine Diskursanalyse am Beispiel des Hastag-Protests #distractinglysexy.“ In Anerkennung und Sichtbarkeit. Perspektiven für eine kritische Medienkulturforschung, Hrsg. Tanja Thomas, Lina Brink, Elke Grittmann und Kaya de Wolff, 219–234. transcript, 2017.
Thomas, Tanja. „Pop und Populärkultur: Arenen der (Re)Produktion und Irritation tradierter Geschlechternormen und -verhältnisse.“ In Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung. Geschlecht und Gesellschaft, Hersg. Beate Kortendiek et al. Springer, 2019.
Thwaites, Rachel. “Making a choice or taking a stand? Choice feminism, political engagement and the contemporary feminist movement.” Feminist Theory, 18:1 (2017), 55-68.
Zeisler, Andi. We were Feminists Once. From Riot Grrrl to CoverGirl®, the Buying and Selling of a Political Movement. Public Affairs, 2016.
Hier finden Sie Informationen zu den einzelnen Vorträgen:
Dr.in habil. Heide Volkening und Prof.in Dr.in Katrin Horn (beide Universität Greifswald)
Die kontroversen Diskussionen um Greta Gerwigs Blockbuster Barbie im letzten Jahr schienen das Hollywoodkino als prominenten Diskursort für zeitgenössischen Feminismus zu feiern und gleichzeitig die Unmöglichkeit der Reflektion feministischer Politik in kommerziellen Kontexten zu behaupten. Dabei war Barbie zwar ungewöhnlich präsent in der öffentlichen Diskussion um Feminismus und Pop, reihte sich ansonsten aber – wie dieser Vortrag zeigen wird – in durchaus bekannte Argumentationsketten ein. Denn Fragen danach, welchen (politischen) Wert Popkultur für Feminismus und welchen (finanziellen) Wert Feminismus umgekehrt für Popkultur hat, prägten zuvor bereits so unterschiedliche mediale Ereignisse wie den Auftritt von Beyoncé vor dem Leuchtschriftzug „Feminist,“ die Platzierung der Comicfigur Wonder Woman auf der ersten Ausgabe der feministischen Zeitschrift Ms Magazine oder die Inszenierung von cringe feminism in der BBC-Serie Fleabag.
Um die Relevanz der Debatte und die Vielfältigkeit der Zugänge aufzuzeigen, bieten Heide Volkening und Katrin Horn einführenden Überblick über unterschiedliche Theorien zur Verbindung von Popkultur und Feminismus. Dabei wird adressiert wodurch sich, beispielsweise, eine postfeminisische Medienlandschaft auszeichnet und warum deren Fokussierung auf empowerment durchaus problematisch zu sehen ist; welche Rolle celebrity feminism im öffentlichen Raum spielt im Unterschied zu Feminist*innen, die selbst zu celebrities wurden; und wie feministische Inhalte Eingang in Popkultur und deren Kritik fanden und finden. Der Vortrag rahmt somit die weiteren Vorträge der Ringvorlesung über eine erste definitorische Annäherung an den vielfältigen Begriff des Popfeminismus.
Dr.in Christina Scharff (King's College London)
Based on thirty in-depth interviews with a diverse group of feminist activists, this inaugural lecture will explore the benefits and pitfalls of digital activism. Reflecting on earlier accounts of PopFeminism, and linking these to scholarly analysis of the popularisation of feminism, the lecture will present the findings from interviews conducted with feminists who were mainly active in the digital sphere, and who were based in Germany and the UK at the time of interview (in early 2022). In particular, the lecture will highlight and critically analyse three features of contemporary digital feminism and the ways in which they resonate with wider forms of pop/popular feminism: 1) shedding light on the intersections between digital feminism and neoliberalism by showing how neoliberalism does not only work on an economic, but also on an affective level 2) adding to our understanding of the exclusions that characterise digital feminism by zooming in on the dimension of class and re-thinking class inequalities beyond mere issues of ‘access’ and 3) developing an understanding of the interplay between the digital economy and digital feminism by exploring the extent to which commonly made distinctions between activists as purely politically motivated and influencers as exclusively commercially driven hold. Interspersed with empirical examples, the lecture asks what is at stake when feminism becomes popular on social media.
Prof.in Dr.in Julia Bee
Die rechte Politik im Netz, die von digitalen Dynamiken profitiert, wurde mit dem Begriff des Digitalen Faschismus beschrieben (Marcks/Fielitz 2020; Degeling/Hoffmann/Strick 2021). Ihre Konjunktur ist raumgreifend und eine Bedrohung für die Demokratie. Wie aber kann digitaler Antifaschismus aussehen, der demokratische Themen und Denkweisen im Netz zu einer Frage der Medienkultur macht? Ausgehend vom Konzept der Politischen Bildung skizziert der Vortrag Bildungsstrategien in sozialen Medien und vergleicht Formate klassischer Bildungsinstitutionen mit aktivistischen Ansätzen selbstorganisierter Bildung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Gender- und intersektionalen Ansätzen sowie auf der Thematisierung der Klimakatastrophe, da diese Themen und die mit ihnen verbundenen Akteur:innen aus Wissenschaft, Bildung, Politik und Aktivismus derzeit besonders von rechts angegriffen werden. Als Beispiel werde ich auf den Kanal ContraPoints als Bildungsmedium eingehen. Welche Probleme ergeben sich für die Arbeit von politischen Influencer:innen? Wie zieht man die Grenze zwischen Bildung und Aktivismus und ist das sinnvoll? Wie werden Gender-, Queer und Trans Studies durch politische Influencer:innen adressiert und welche Potentiale ergeben sich daraus für eine Digitale Politische Bildung und eine antifaschistische Internetkultur?
Dr.in Anne Potjans
In meinem Vortag geht es um Wut und Zorn in Schwarzen (queer)feministischen Kontexten. Wut und Ärger (übersetzt aus dem Englischen: „rage and anger“) als affektive Reaktion auf andauernde Unterdrückungserfahrungen werden zugunsten der Aufrechterhaltung von weißen, cis-heteronormativen Strukturen häufig gesilenced, für irrational befunden und aus dem öffentlichen Raum ferngehalten. Allerdings, so möchte ich argumentieren, sind Wut und Ärger ein wichtiger Bestandteil Schwarzer Emotionswelten und eine bisher viel zu wenig beachtete Komponente Schwarzer, (queer)feministischer Wissensproduktion. Ich möchte daher zeigen, dass der epistemologische Zugewinn, der aus einer Hinwendung zu Wut und Zorn resultiert, effektiv nutzbar gemacht werden kann, um hetero-sexistische, cis-sexistische, rassistische und ableistische Gewaltstrukturen zu verstehen und offenzulegen. Wie Audre Lorde bereits in ihren einflussreichen Artikel “The Uses of Anger“ beschreibt: „Anger is loaded with information and energy“.*Ich möchte darüber hinaus zeigen, dass Wut und Zorn Schwarzer FLINTAs Ausdruck eines bestimmten Potentials ist, welches nicht –wie häufig diskrimierend behauptet wird –eine Disposition Schwarzer Weiblichkeit ist, sondern davon zeugt, dass, obwohl Schwarze Subjektivität oft negiert wird, Schwarze Frauen und queere Menschen bestimmte Strategien erarbeitet und weitergegen haben, um sich ihre Subjektivität und bestimmte Formen von Selbstwirksamkeit zu bewahren. Daher nehmen Wut und Zorn in Schwarzen (queer)feministischen kulturellen Artefakten häufig unterschiedliche Gestalt an, sodass sie durch Trauer, Traurigkeit, Selbsthass, Depression oder Lethargie zum Ausdruck gebracht werden. So zeigt sich, dass Wut und Ärger keine klar umrissenen Emotionen oder affektiven Reaktionen sind, ihr wissenstheoretisches Potential aber genau in diesem Chaos steckt. In meinem Vortrag möchte ich mich diesem produktiven Chaos nähern, indem ich mit dem Werk der US Amerikanischen Rap-Künstler*in Angel Haze/ROES beschäftige. Indem ich mich auf das Zusammenspiel von Text und Klang fokussiere, basiert meine Lesart auf einem Schwarzen (queer)feministischen Theorierahmen, wodurch ich die Möglichkeiten aufzuzeigen möchte, die Haze ́/ROES ́ Musik eröffnet um Wut und Zorn zu vermitteln.
* "Wut ist aufgeladen mit Wissen und Energie."
JProf.in Dr.in Nele Sawallisch
Comedy unter weiblicher Regie ist nicht zuletzt durch soziale Medien und Streamingdienste aktuell so zugänglich wie nie. Vor allem Stand-up Comedy von weiblichen, trans, oder genderqueeren Comedians ist heute über verschiedene Distributionswege international verfügbarer und medial präsenter als noch vor wenigen Jahren; damit sind auch Themen und Agenden dieser Comedians im lange männlich dominierten Comedy-Business mehr vertreten. Der Vortrag will an ausgewählten, aktuellen Beispielen—wie Hannah Gadsby, Amy Schumer, Wanda Sykes, Ali Wong, Carolin Kebekus—zeigen, wie Stand-up Comedy zur buchstäblichen Bühne für Popfeminismus werden kann. Dabei werden Themen und Strategien eine Rolle spielen, über die Comedians eine Version von Popfeminismus erzeugen, ihn performen, und dabei zwischen Selbst-/Herabsetzung und Provokation changieren. Welche Erwartungshaltungen an Stand-up Comedians spielen hierbei eine Rolle? Welche Rollenzuschreibungen und Erwartungen an Weiblichkeit? Spätestens, wenn Comedians über Fäkalien und allerlei Körpersäfte sprechen, überschreiten sie gesellschaftliche Tabus. Ist das dann Feminismus?
Sonja Eismann (Missy Magazine, Berlin)
Der Vortrag beleuchtet Verbindungen und Abstoßungen zwischen Mode, Feminismus und Weiblichkeit. Er wirft ein kurzes Schlaglicht auf deren historischen Verlauf und darin sich zeigende gesellschaftliche Funktionen von Mode. Im Mittelpunkt stehen aber aktuelle popkulturelle Entwicklungen. Der Vortragt stellt modische Farb- und Weiblichkeitskonzepte der Gegenwart wie Vanilla Girl, Clean Girl und Barbiecore vor. Er widmet sich dabei auch aktuellen Core-Ästhetiken auf TikTok in Form von Girliness und Hyperfeminität, seien es die Riot-Grrrl- oder Y2K-Retroformen oder Balletcore. Wie wird Weiblichkeit in diesen Ästhetiken performiert? Wie ist ihr Verhältnis zum Feminismus zu bestimmen?
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